Neuland für einen NEWler

Geograph Jakob Rom aus dem Landkreis NEW erhielt den Preis der Maximilian-Bickhoff-Universitätsstiftung für besondere Leistungen im Studium. Bei seinen Forschungen im Rahmen seiner Masterarbeit verbindet er Archäologie mit Physischer Geographie.

Der Wissenschaftler aus Tröbes bei Moosbach absolvierte den Masterstudiengang Geographie: „Umweltprozesse und Naturgefahren” an der Katholischen Universität Eichstädt-Ingolstadt. Schon während des Studiums arbeitete er als Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Physische Geographie. Seit 2020 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Physische Geographie.

„Zwischen Land und Meer: Eine (halb-)automatisierte Klassifizierung und Prozessierung von LiDAR-Daten zur Detektion potentieller archäologischer Fundstellen zum bronzezeitlichen Zedernholzhandel in der Chekka-Region (Libanon)“, lautet der Titel der Forschungen des „NEW-Denkers“. Essenziell dabei war die Datenaufnahme durch Laservermessungen, die der heute 26-Jährige aus einem Hubschrauber des libanesischen Militärs heraus unternommen hat. Die Interpretation dieser Daten ergab ein sehr genaues Geländemodell, mithilfe dessen sich mögliche Fundorte bronzezeitlicher Siedlungen ableiten ließen. Ebenso fanden sich Indizien für antike Handelsrouten. Dank dieser Auswertungen können Archäologen zielgerichtete Feldkampagnen vor Ort durchführen.

Hintergründe zur Arbeit

Seit Beginn der Siedlungsgeschichte des Menschen gilt das Gebiet des heutigen Libanon als Knotenpunkt verschiedener Kulturen. Spätestens seit Beginn der frühen Bronzezeit, vor 5000 Jahren, versuchten die Großreiche ihrer Zeit diese Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Das lag nicht nur an der günstigen Lage am östlichen Mittelmeer, sondern in erster Linie am wichtigsten Handelsgut dieses Gebietes: Zedernholz. Die Libanonzeder (Cedrus libani) wächst fast ausschließlich in den höheren Lagen des Libanongebirges und ist sehr gut geeignet als Bauholz für Häuser und Tempel, als Räucherholz und vor allem als Baustoff für Schiffe. Die Könige Ägyptens, Mesopotamiens, Assyriens, Babyloniens, Persiens und später auch die Römer und Griechen importierten das Holz in großen Mengen. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass Archäologen libanesisches Zedernholz unter anderem in und um ägyptische Pyramiden oder babylonische Tempel gefunden haben.

Trotz dieser immensen Bedeutung des Libanons seit der frühen Bronzezeit für alle großen Reiche im östlichen Mittelmeerraum ist er archäologisch noch nicht sehr gut erforscht. Das liegt vor allem an der angespannten politischen Situation im Land bis heute. Vor allem zur Zeit des Bürgerkrieges von 1975 bis 1990, sowie während des Krieges mit Israel 2006 waren keine archäologischen Tätigkeiten im Libanon möglich. Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften forschen seit 2016 an einer bronzezeitlichen Siedlung (Tell Mirhan) an der Mittelmeerküste bei der modernen Stadt Chekka. Vorläufige Ergebnisse der Ausgrabungen deuten auf eine große, bedeutende Handelsstadt hin. Vermutlich wurde hier das Zedernholz aus dem Hinterland auf Schiffe geladen und verschifft. Dafür spricht auch die strategisch gute Lage an einem natürlich geschützten Hafen. Das Hinterland von Tell Mirhan ist archäologisch noch (fast) nicht erschlossen.

Das Untersuchungsgebiet ist mit etwa 300 km² nicht nur ziemlich groß, sondern es ist auch durch moderne Bautätigkeiten, Industrieanlagen und weitläufige Abbaugebiete stark modern überprägt. Diese Gründe machen eine klassische archäologische Erhebung zu Fuß quasi nicht möglich, das Gebiet sollte besser mittels modernster Fernerkundungsmethoden vermessen werden. Projektleiter des Lehrstuhls für Physische Geographie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt lieferten hochmoderne Laserscanner und auch das nötige Know-how zur Planung, Durchführung und Nachbearbeitung einer solchen Mission zu.

Der Laserscanner wurde auf einen Helikopter montiert. Das Gerät kann mehrere tausend Punktmessungen pro Sekunde durchführen und tastet so die Landschaft Stück für Stück ab. Die Herausforderung, eine solche Mission in einem politisch sensiblen Land wie dem Libanon zu planen, war sehr groß und dauerte etwa ein ganzes Jahr. Das lag auch daran, dass im Libanon noch nie eine ähnliche wissenschaftliche Mission durchgeführt wurde. Das libanesische Militär wurde folglich sehr eng in die Planungen eingebunden. Zum einen, weil sämtliche militärische Genehmigungen notwendig waren, vor allem aber, weil die Mission nur mit einem Militärhubschrauber und mit Piloten der libanesischen Luftwaffe durchgeführt werden durfte.

Mehrere Milliarden Messpunkte

An drei Tagen im Herbst 2018 konnte die Datenerfassung mit sieben Flügen vollzogen werden. Ein achter Flug war zwar geplant, konnte allerdings aufgrund eines Öl-Lecks am Helikopters nicht mehr realisiert werden. Nun galt es, den Datensatz (bestehend aus mehreren Milliarden Einzelmesspunkten, einer so genannten Punktwolke) zu analysieren und interpretieren. Das Forscherteam musste feststellen, dass in dem Modell keine archäologisch relevanten Strukturen direkt identifiziert werden konnten. Das liegt vor allem an der starken modern Überprägung der Landschaft, aber auch an der Tatsache, dass von 2000 bis 5000 Jahre alten Gebäuden wohl nicht mehr viel erhalten sein wird und die Bodenoberfläche somit nur noch minimal beeinflusst ist. Daher suchte Jakob Rom weiter nach indirekten Hinweisen auf Siedlungsspuren.

Als erstes extrahierte Rom aus dem Geländemodell alle hügelförmigen Strukturen, da die meisten bekannten Siedlungsreste auf Hügeln zu finden sind. Siedlungen auf Hügeln hatten einerseits den Vorteil, dass man die Umgebung besonders gut im Blick hatte, andererseits entstanden sogenannte „Tells“ (Siedlungshügel) auch erst unter menschlichem Einfluss. Jedem Hügel konnte eine Art „Wahrscheinlichkeit“ zugewiesen werden, die angibt, wie gut dieser Hügel als Siedlungsplatz geeignet gewesen ist. Da Holz in großen Mengen gehandelt wurde, wurden die Hölzer auch relativ hochfrequent von den Abholzungsgebieten an die Küste gebracht. Also rekonstruierte Rom Wegesysteme vom Hinterland an die Küste.

Basis für weitere Arbeiten

Die Ergebnisse dienen den Archäologen als Vorlage für noch kommende Geländebegehungen. Die Resultate können vor Ort geprüft werden und bestenfalls neue, vielversprechende Ausgrabungsstellen enthüllen. Rom stellte seine entwickelten Methoden und Ergebnisse im Herbst 2019 bei einer archäologischen Fachtagung in Wien vor. Dort zeichnete eine Fachjury seinen Vortrag mit dem „Best Student Paper Award“ aus. Im Oktober 2020 veröffentlichte der Geograph in der archäologischen Fachzeitschrift „Open Archaeology“ einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel: „Between Land and Sea: An Airborne LiDAR Field Survey to Detect Ancient Sites in the Chekka Region/Lebanon Using Spatial Analyses“.

Jetzt ist Rom als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Physische Geographie an der KU Eichstätt-Ingolstadt tätig. Hier arbeitet er in erster Linie im deutsch-österreichischen Forschungsprojekt „SEHAG – Sensitivität Hochalpiner Geosysteme in Bezug zum Klimawandel seit 1850“. Das Team untersucht, wie sich alpine Geosysteme aufgrund des stattfindenden Klimawandels verändern. In diesem Projekt fertigt er auch seine Dissertation über gravitative Massenbewegungen im Alpenraum an.

Bilder: Jakob Rom